Exile Media Forum Hamburg: Allen Widrigkeiten zum Trotz

  • September 15, 2023
  • News

Auf dem diesjährigen Exile Media Forum in Hamburg tauschten sich Exiljournalist:innen aus der ganzen Welt über ihre Erfahrungen mit der Fortsetzung ihrer Arbeit im Exil aus. Obwohl die Gründe, aus denen sie ins Exil gehen mussten, oft so unterschiedlich sind wie die Bedingungen in ihren neuen Aufenthaltsländern, sind sich die Herausforderungen, mit denen sie im Exil konfrontiert sind, meistens sehr ähnlich.

Der Aufstieg autoritärer Regime weltweit zwingt immer mehr unabhängige Journalist:innen ins Exil. Auf dem von der Körber-Stiftung in Zusammenarbeit mit der Justice for Journalists Foundation organisierten Exile Media Forum berichteten Journalist:innen aus Afghanistan, Belarus, Iran, Myanmar, Russland, Tadschikistan, Türkei und Ukraine über ihre oft erfolgreichen Versuche, aus verschiedenen Exilländern weiter zu berichten. Für sie alle sind die Aufrechterhaltung der Verbindung zu ihrem Zielpublikum sowie die Beschaffung von Informationen vor Ort große Herausforderungen, weshalb viele Exilmedien weiterhin mit Reporter:innen und Quellen vor Ort arbeiten. Ihnen Sicherheit zu gewährleisten, ist eines ihrer wichtigsten Anliegen. Das Exile Media Forum veranstaltete darum zwei Workshops zu digitaler Sicherheit und dem Schutz von Quellen und sensiblen Dokumenten.

„Wir sind vom russischen Staat geächtet. Als ‚unerwünschte Organisation‘ dürfen wir unter Androhung von Strafverfolgung nicht auf russischem Territorium operieren. Unsere Leser:innen können nur via VPN auf unsere Inhalte zugreifen. Wir machen uns Sorgen um unsere Quellen und all die Menschen, die in Russland geblieben sind. Das ist eher ein James-Bond-Film als Journalismus.“

Ekaterina Glikman, Gründerin und erste stellvertretende Chefredakteurin Novaya Gazeta Europe

VERSTECKEN UND SENDEN

Die Umgehung von Blockierungen und Zensur erfordert Kreativität und manchmal ausgeklügelte technische Lösungen. Der im Exil lebende südsudanesische Nachrichtensender Radio Tamazuj nutzt Kurzwellen, um sein Publikum zu erreichen, da die FM-Frequenzen vom Staat vergeben und kontrolliert werden. Die Novaya Gazeta Europe ermutigt ihre Leser:innen, ein lokales VPN-Netzwerk mitzuverwalten, um die Blockierung unabhängiger Medien in Russland zu umgehen. Andere Medien verlagern ihre Inhalte auf Social-Media-Plattformen wie Telegram oder YouTube oder bieten ihre eigenen Apps an.

JOURNALISMUS UND AKTIVISMUS

Eine weitere viel diskutierte Frage auf der Konferenz war, ob sich Journalismus und Aktivismus angesichts von Verfolgung oder drohender Inhaftierung überhaupt voneinander unterscheiden lassen. Wenn Journalisten der Zensur, restriktiven Gesetzen oder Verfolgung standhalten und wenn sie Gefahr laufen, als politische Gefangene inhaftiert zu werden, scheint die Antwort auf den ersten Blick nein zu lauten. Viele Stimmen auf der Konferenz sprachen sich jedoch für eine klare Trennung aus. Darunter Anton Lysenkov, Gründer und Chefredakteur von SPEKTR.PRESS, einem von Lettland aus operierenden russischsprachigen Web-Magazin.

„Ich bin strikt gegen die Vermischung der Begriffe ‚Aktivismus‘ und ‚Journalismus‘. Ich möchte als unabhängiger Journalist arbeiten, und als solcher bin ich zur Objektivität verpflichtet. Ich würde sogar den Teufel selbst interviewen, und er wird genauso behandelt wie jeder andere auch. Er wird auf Fakten geprüft und in einen breiteren Kontext gestellt.“

Anton Lysenkov, Gründer und Chefredakteur SPEKTR.PRESS

BEDÜRFNISSE UND ANGEBOTE

Bei all den strategischen und finanziellen Herausforderungen, mit denen Journalist:innen im Exil konfrontiert sind, bleibt die Frage nach ihrer psychischen Gesundheit oft auf der Strecke. Neben den oftmals traumatischen Erfahrungen, die Journalist:innen in ihren Herkunftsländern gemacht haben, stellt auch das Leben im Exil eine psychische Belastung dar. Ein ungeklärter Aufenthaltsstatus und die daraus resultierende Schwierigkeit, das eigene berufliche und private Leben zu planen, sowie die ständige Sorge um die im Land verbliebenen Familien und Freund:innen wirken sich negativ auf die psychische Gesundheit aus. Darüber hinaus belegen zahlreiche Fälle aus der jüngeren Vergangenheit, dass Journalisten auch im Exil abgehört, verfolgt und bedroht werden.

Um den unabhängigen und nachhaltigen Journalismus im Exil zu stärken, bedarf es eines umfassenden Verständnisses der Bedürfnisse von Journalist:innen im Exil sowie einer Unterstützungsstruktur, die dazu in der Lage ist, auf alle Bedürfnisse einzugehen. Das Exile Media Forum bot eine wichtige Plattform für den notwendigen Austausch zwischen Exiljournalist:innen und Organisationen der Zivilgesellschaft. Neben dem JX Fund haben neun weitere zivilgesellschaftliche Verbände und Institutionen ihre Arbeit vorgestellt: